Auf dem Weg vom kontemplativen Gebet
in die Kontemplation als Zustand
Vortrag von Klauß Stüwe vom 1. August 2011

 

 

Ich habe bei Franz Jalic, einem katholischen Exerzitienmeister, der ein Haus in Oberfranken hat, eine ganz interessante Unterscheidung gelesen, mit der ich heute beginnen möchte: Er unterscheidet zwischen dem kontemplativen Gebet und der Kontemplation.

Und wie begründet er diese Unterscheidung? Er sagt: Das kontemplative Gebet ist der Weg der Übung, der in einer ganz bestimmten Weise beschritten wird, und die Kontemplation selbst ist dann keine Übung mehr, sondern ein Zustand. Und deshalb gehen wir auch heute morgen von dern Hoffnung aus, die Übung des kontemplativen Gebets möge in den Zustand der Kontemplation hineinführen.

In der Vorstellungsrunde ist gesagt worden: Die Stille ist wichtig und nicht reden und so. Das ist ein wichtiges Medium dieser Übung. Ich beobachte, dass Teilnehmer sagen: Die äußere Stille, die Ruhe, der Verzicht auf die Kommunikation, das Sich-Einlassen auf einen ganz bestimmten Tagesablaufdas ist für mich wichtig. Dazu kommt noch das Vertrauen darauf, dass der Ort gut ist, dass der Kurs seine feste Ordnung hat. So kommt dann eine Situation zustande, die hilft, den Blick nach innen zu wenden.

Dieser Blick nach innen, der sieht dann das, was eben ist, wie es ist. Das kann sehr verschieden sein. Das wurde in der Vorstellungsrunde deutlich: Jede und jeder von euch kommt in einem ganz bestimmten, eher nicht kontemplativen, sondern in einem Normalzustand hier an. Von diesem Normalzustand sollte jeder erst einmal ausgehen. Das will aus meiner Sicht heißen: Ich finde es immer ganz wichtig, dass wir, wenn wir einen ganz bewussten Übungsweg miteinander beginnen, uns darauf einlassen zu sagen: Jawohl, so bin ich heute hier, heute Abend hergekommen. So ist es mit mir. Und so wie es ist, so ist es erst mal in Ordnung, auch wenn ich selber das Gefühl habe, es ist nicht in Ordnung. Ich bin zerrissen, ich bin gespalten, ich bin in hundert Teile zerlegt, was weiß ich ...

Die Einladung und schon ein Teil des kontemplativen Gebets ist: Wahrzunehmen was ist. Und Wahrnehmung – das habe ich schon oft gesagt und sage es am Beginn dieser Woche auch gern wieder – Wahrnehmung hat nichts zu tun mit Urteil, das hat nichts zu tun mit Einordnen und Vergleichen und‚ gestern war es so und morgen ist es hoffentlich so. Sondern wahrnehmen hat zu tun mit nehmen. Ich nehme es wahr; und so wie es ist, ist es erst mal wahr. Weil es halt so ist; ob es mir jetzt gut tut oder nicht, ob es mich freut oder nicht, ob es schmerzt oder nicht. All das sollte - wenn es irgend geht bei dieser Übung der Wahrnehmung eine immer geringere Rolle spielen.

Immer wieder wird die Einladung erneuert: Ja, so wie es ist, so ist es und ich lasse es jetzt auch so und gehe in meine Übung. Und meine Übung heißt – auch das ist ja jetzt in diesem Kreis nichts Neues – dieser Atemzug, dieser Augenblick, hier, jetzt, Schritt, Schritt, Schritt.

Hier scheint ein Widerspruch zu sein: Jeder nimmt als Einzelner wahr und dann tun wir es doch in einer Karawane, wir gehen miteinander einen Weg, wir üben gemeinsam, wir fügen uns einer bestimmten Disziplin. Ich glaube nicht, dass das ein Widerspruch ist. Tatsache ist: Wir uns, gehen Schritt für Schritt, sind wir unterwegs, denn wir sind auf unserem Lebensweg immer auch mit anderen unterwegs.

Einen wichtigen Unterschied zum alltäglichen Leben gibt es:
In den Zeiten der Übung versuchen wir, unsere Vorsätze, unsere Kategorien, unsere Beurteilungen, Etikettierungen, die wir uns selbst gegenüber ja auch immer ganz stark haben, so gut es geht einfach mal zu lassen. Da liegen zu lassen, wo sie sind. Sie sind da. Das wäre ja Illusion, zu glauben, dass es nicht so ist. Aber ihnen zumindest immer wieder für einen Augenblick, wenn sie uns wieder anspringen, ihre Mächtigkeit, ihre Hartnäckigkeit, ihre Gegenwärtigkeit ein bisschen zu nehmen und zu sagen: Nein, jetzt ist Atem, jetzt ist Übung, jetzt ist Gewahrsein, Wachsein, Dasein.

Das ist der Leitfaden, das ist der Rhythmus, das ist die Einladung. Was dann jeweils passiert und wie es geht und wie es nicht geht, so ist es. Was ich davon ins Gespräch bringen will, bringe ich ins Gespräch, was mich begleitet, begleitet mich. Immer wieder auch mit dem Versuch, es zu analysieren, weder daran zu ziehen, noch mich dagegen zu wehren, sondern so wie es auftaucht, lasse ich es auch wieder untertauchen, so wie es kommt, versuche ich es auch wieder gehen zu lassen, auch wenn es mal hartnäckig immer wieder kommt.

Allenfalls unterscheide ich: Was will ich besprechen und was nicht. Und dann gehe ich wieder zurück und versuche mich im Laufe der Stunden und Tage in diese Geduld hinein zu üben. Ich sitze, ich sitze so gut wie es geht, ich atme, ich bin wach, ich bin da, ich schaue mir zu, es wird mir zugeschaut – nicht von denen, die hier sind, sondern quasi von dem, was ich im Ganzen bin – es ist ja immer auch ein ich schaue und ich werde geschaut.

Und dann schauen wir, wohin wir wirklich kommen. Jede und jeder geht seinen und ihren eigenen Weg. Und dennoch gehen wir natürlich gemeinsam. Achten aufeinander, achten auf die Zeiten, achten auf unsere Haltung. Und sind – zuerst und zuletzt immer wieder geduldig, vielleicht manchmal auch ein bisschen hartnäckig mit der Übung, mit uns, mit diesem Schritt, Schritt, Schritt...

Wir werden sehen was kommt. Wir müssen uns nichts vornehmen. Im Gegenteil, alle Vorsätze, alle Ziele, die wir uns stecken, sind eher hinderlich, sondern hinschauen, was ist in diesem Augenblick, in diesem Atemzug; und das immer und immer wieder neu.

Zurück