Ich habe bei Franz Jalic, einem katholischen Exerzitienmeister, der ein Haus in
Oberfranken hat, eine ganz interessante Unterscheidung gelesen, mit der ich
heute beginnen möchte: Er unterscheidet zwischen dem kontemplativen Gebet und
der Kontemplation.
Und wie begründet er diese Unterscheidung? Er sagt: Das kontemplative Gebet ist der
Weg der Übung, der in einer ganz bestimmten Weise beschritten wird, und die
Kontemplation selbst ist dann keine Übung mehr, sondern ein Zustand. Und
deshalb gehen wir auch heute morgen von
dern Hoffnung aus, die Übung des kontemplativen Gebets möge in den Zustand der
Kontemplation hineinführen.
In der Vorstellungsrunde ist gesagt worden: Die Stille ist wichtig und nicht reden und
so. Das ist ein wichtiges Medium dieser Übung. Ich beobachte, dass Teilnehmer
sagen: Die äußere Stille, die Ruhe, der Verzicht auf die Kommunikation, das
Sich-Einlassen auf einen ganz bestimmten Tagesablaufdas ist für mich
wichtig. Dazu kommt noch das Vertrauen
darauf, dass der Ort gut ist, dass der Kurs seine feste Ordnung hat. So
kommt dann eine Situation zustande, die
hilft, den Blick nach innen zu wenden.
Dieser Blick nach innen, der sieht dann das, was eben ist, wie es
ist. Das kann sehr verschieden sein. Das wurde in der Vorstellungsrunde deutlich: Jede und jeder von euch kommt in
einem ganz bestimmten, eher nicht kontemplativen, sondern in einem
Normalzustand hier an. Von diesem Normalzustand sollte jeder erst einmal
ausgehen. Das will aus meiner Sicht
heißen: Ich finde es immer ganz wichtig, dass wir, wenn wir einen ganz bewussten Übungsweg miteinander
beginnen, uns darauf einlassen zu sagen: Jawohl, so bin ich heute hier, heute
Abend hergekommen. So ist es mit mir. Und so wie es ist, so ist es erst mal in
Ordnung, auch wenn ich selber das Gefühl habe, es ist nicht in Ordnung. Ich bin zerrissen, ich bin gespalten, ich bin in hundert Teile zerlegt, was weiß ich ...
Die Einladung und schon ein Teil des kontemplativen Gebets ist: Wahrzunehmen was ist. Und Wahrnehmung – das habe ich schon oft gesagt und sage es am Beginn dieser Woche auch gern wieder – Wahrnehmung hat nichts zu tun mit Urteil, das hat nichts zu tun mit Einordnen und Vergleichen und‚ gestern war es
so und morgen ist es hoffentlich so. Sondern wahrnehmen hat zu tun mit nehmen. Ich nehme es wahr; und so wie es ist,
ist es erst mal wahr. Weil es halt so ist; ob es mir jetzt gut tut oder nicht,
ob es mich freut oder nicht, ob es schmerzt oder nicht. All das sollte - wenn
es irgend geht bei dieser Übung der Wahrnehmung eine immer geringere Rolle
spielen.
Immer wieder wird die Einladung erneuert: Ja, so wie es ist, so ist es
und ich lasse es jetzt auch so und gehe in meine Übung. Und meine Übung heißt – auch das ist ja jetzt in diesem Kreis nichts Neues – dieser Atemzug, dieser
Augenblick, hier, jetzt, Schritt, Schritt, Schritt.
Hier scheint ein Widerspruch zu sein: Jeder
nimmt als Einzelner wahr und dann tun wir es doch in einer Karawane, wir gehen
miteinander einen Weg, wir üben gemeinsam, wir fügen uns einer bestimmten
Disziplin. Ich glaube nicht, dass das ein Widerspruch ist. Tatsache ist:
Wir uns, gehen Schritt für Schritt, sind wir unterwegs, denn wir sind auf unserem
Lebensweg immer auch mit anderen unterwegs.
Einen wichtigen Unterschied
zum alltäglichen Leben gibt es:
In den Zeiten der Übung versuchen
wir, unsere Vorsätze, unsere Kategorien, unsere Beurteilungen, Etikettierungen,
die wir uns selbst gegenüber ja auch immer ganz stark haben, so gut es geht
einfach mal zu lassen. Da liegen zu lassen, wo sie sind. Sie sind da. Das wäre
ja Illusion, zu glauben, dass es nicht so ist. Aber ihnen zumindest immer
wieder für einen Augenblick, wenn sie uns wieder anspringen, ihre Mächtigkeit,
ihre Hartnäckigkeit, ihre Gegenwärtigkeit ein bisschen zu nehmen und zu sagen: Nein, jetzt ist Atem, jetzt ist
Übung, jetzt ist Gewahrsein, Wachsein, Dasein.
Das ist der Leitfaden, das ist der Rhythmus, das ist die
Einladung. Was dann jeweils passiert und wie es geht und wie es nicht geht, so
ist es. Was ich davon ins Gespräch bringen will, bringe ich ins Gespräch, was
mich begleitet, begleitet mich. Immer wieder auch mit dem Versuch, es zu analysieren, weder daran zu ziehen, noch mich dagegen zu wehren, sondern so wie es auftaucht, lasse ich es auch wieder untertauchen, so wie es kommt,
versuche ich es auch wieder gehen zu lassen, auch wenn es mal hartnäckig immer
wieder kommt.
Allenfalls unterscheide ich: Was will ich besprechen und was
nicht. Und dann gehe ich wieder zurück
und versuche mich im Laufe der Stunden und Tage in diese Geduld hinein zu üben.
Ich sitze, ich sitze so gut wie es geht, ich atme, ich bin wach, ich bin da,
ich schaue mir zu, es wird mir zugeschaut – nicht von denen, die hier sind,
sondern quasi von dem, was ich im Ganzen bin – es ist ja immer auch ein ich
schaue und ich werde geschaut.
Und dann schauen wir, wohin wir wirklich
kommen. Jede und jeder geht seinen und ihren eigenen Weg. Und dennoch gehen wir
natürlich gemeinsam. Achten aufeinander, achten auf die Zeiten, achten auf
unsere Haltung. Und sind – zuerst und zuletzt immer wieder geduldig, vielleicht
manchmal auch ein bisschen hartnäckig mit der Übung, mit uns, mit diesem Schritt,
Schritt, Schritt...
Wir
werden sehen was kommt. Wir müssen uns nichts vornehmen. Im Gegenteil, alle Vorsätze, alle Ziele, die wir uns
stecken, sind eher hinderlich, sondern hinschauen, was ist in diesem
Augenblick, in diesem Atemzug; und das immer und immer wieder neu.
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